Mit Carmela unterwegs …

September 22, 2008

Im Familiengericht

Filed under: Projekttagebuch — Carmela @ 3:56 pm

In dieser Woche sind ein paar Anhörungen von Mädchen, und ich gerne mal dabei sein möchte, um einfach mal mitzubekommen, wie das so abläuft, denn generell habe ich ja null Gerichtserfahrung. Die Anhörungen waren sogenannte Nachsorge-Fälle, ein 17jähriges Mädchen, ehemalige PREDA Bewohnerin hatte ihr Kreuzverhör und eine 12jährige, die keine Bewohnerin war oder ist, jedoch von PREDA im Gerichtsprozess und der Vorbereitung begleitet wird. Beides sind Missbrauchsfälle. Im Familiengericht ging’s zu wie auf dem Markt, laut und so was von schnell. Die Akten auf dem Podest der Richterin stapelten sich und die Anwälte liefen ständig hin und her. Die Gerichtssprache ist Englisch, jedoch wird alles sofort auf Tagalog übersetzt. Es gibt speziell einen, der nur für’s Übersetzten zuständig ist, der auch die Anklageschriften je nach Bildung der Angeklagten vorliest. Die Richterin ist ziemlich taff, hatte immer wieder den Übersetzter unterbrochen, wenn er nicht richtig übersetzt hatte und drängte die Anwälte immer wieder, schneller zu fragen, oder bei Wiederholungen erinnerte sie daran, dass diese Fragen doch bereits geklärt seien. Die Anwälte selbst taten sich bei einigen Formulierungen im Englisch etwas schwer, mussten neu ansetzen, zwischen durch huschte ein Wort oder Ausdruck auf Tagalog raus. Ich weiß echt nicht, was das soll, mit dem Englischen, wenn es doch sowie so in die Landessprache übersetzt wird. Dadurch verzögert sich das ganze Verfahren noch mehr. Und eine wirkliche gute Begründung – außer, dass in sämtlichen amtlichen und behördlichen Verfahren Englisch die Sprache ist – konnte mir keiner bislang geben. Es ist halt noch ein Überbleibsel aus der Zeit der amerikanischen Besetzung.

Während der Anhörung der beiden Mädchen mussten alle den Gerichtssaal verlassen, da bei Missbrauchsfällen von Minderjährigen, keiner, außer die Eltern, Anwälte, die Sozialarbeiterin von PREDA und die Richterin natürlich und Angeklagten, anwesend sein darf. Das Kind muss auch nicht auf dem Befragungsstuhl sitzen, sondern man sitzt mit den Anwälten in einer Runde zusammen. Die Angeklagten jedoch sitzen etwas Abseits ohne Augenkontakt mit dem Mädchen. Ich konnte das durch das Fenster in der Tür beobachten. Bevor es zu den Anhörungen unserer beiden Mädchen kam, flüsterte mir die Sozialarbeiterin zu: „Neben dir auf der Anklagebank sitzen die Missbraucher.“ Und in einem Fall waren die selbst noch Jugendliche zwischen 17 und 19 Jahren – es waren vier. Im anderen Fall war es ein alter Mann, der bereits schon im Gefängnis sitzt. Das ist schon ein ganz komisches Gefühl, weil ich ja mit den PREDA Mädels sympathisiere und dann die Missbraucher zu sehen. Während des Kreuzverhöres drehten die sich immer wieder zu einander und waren am Lachen. Das macht es natürlich umso schwieriger, neutral zu bleiben. Schwierig ist dieser Fall auch deshalb, weil die Jungs selbst teilweise noch Minderjährig sind. Rein theoretisch könnten die im Falle einer Schulzuweisung, ebenso PREDA Jungs werden, jedoch sagte mir die Sozialarbeiterin, dass natürlich in solchen Situationen eindeutig abgewägt werden muss, und in der Regel dem Missbrauchsopfer beigestanden wird. Als wir draußen auf dem Flur standen und ich mit der anderen Familie wartete, unterhielten wir uns über den gerade laufenden Prozess und die Mutter der 12jährige sagte mir immer wieder: „Nicht so laut, um uns herum sind alles Eltern und Angehörige der Missbraucher!“ Und tatsächlich, bemerkte ich dann erst, das wir ständig beobachtet wurden. Bei der nächsten Anhörung im Oktober haben die Angeklagten ihr Kreuzverhör.

PREDA begleitet die Eltern und Kinder im Falle von Missbrauch – oder bei den Jungen im Falle eines Deliktes. Das fängt damit an, dass die Kinder auf die Gerichtssituationen vorbereitet werden, PREDA die Eltern – falls sie nicht selbst die Missbraucher sind – ins Zentrum fährt und mit zu den Verhandlungen. Sie werden finanziell ein wenig unterstützt, wenn sie besondere Ausgaben haben bezüglich des Verfahrens haben. Nicht immer sind alle Eltern auch kooperativ und PREDA muss sie ständig an irgend welche Dinge erinnern, die sie ihrerseits erledigen müssen. Das bringt wohlmöglich auch die Lebenssituation vieler Philippinos mit sich.

Am frühen Abend waren wir wieder zurück im Zentrum.

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